1 Einst nahm ich mir das schönste Weib der ganzen Welt zum Trotze,
was mir an ihr so gut gefiel, war ihre schwarze
freudenvolle Seele, drum nannt ich sie Adele.
2 Adele ging sehr gern aus, sie liebte heiße Tänze,
doch was sie noch viel lieber hätt, das waren lange
schwere goldne Ketten, ach wenn wir solche hätten.
3 Einst kamen wir sehr spät nach Haus, ermattet von dem Tanze,
da zog sie mir die Hose aus und griff nach meinem schwarz karierten Taschentuch
und legt es in ihr Tagebuch.
4 Adele hatte überm Bett auch einen Kranz von Wicken,
sie sagt‘, es sei so wundernett, in ihrem Duft zu
finst‘rer nacht zu träumen, man möchte überschäumen.
5 Adele konnt auch zornig sein, sie war dann oft recht böse;
sie schloss sich in ihr Zimmer ein und spielt mit ihrer
mobilierten Puppenstub, die ich einst schuf als Bub.
6 Adele fuhr sehr gerne Ski, auf blitzend weißer Piste,
da stürzte sie, die Bluse riss, da sah man ihre
Brüder talwärts jagen, Adele war geschlagen.
7 Einst lagen wir in Südfrankreich an brennend heißer Küste.
Kein Wasser, da reicht‘ sie mir zum Trunke ihre
Brunnenwasserflasche, aus ihrer Reisetasche.
8 Jüngst speiste sie vor dem Konzert ein Kilo Kabis-Storzen;
beim leisen Spiel des Streichsextetts da tät sie plötzlich
furchtbar Beifall klatschen. Sie schwärmt‘ drum für die Bratschen.
9 Auf ihrer Jacht im Thunersee geht sonntags gern sie segeln;
wie lieblich ist es doch im Takt zum Wellenschlag zu
flöten und zu geigen das Lied vom Nymphenreigen.
10 Adele liebte pausenlos, doch einst strich sie die Segel:
Heut‘ geht es nicht, mein lieber Freund, heut‘ hab ich meine
Rotary Zusammenkunft; drum bitt ich um Vernunft.
11 Weil’s Mode war, las sie Karl Marx. Seither hastt sie die Reichen.
Doch in das Buch vom Kapital sag ich sie neulich
Seismogramme schreiben. Ich bat sie: lass das bleiben.
12 Adele rast vorm Radarschirm und achtet nicht der Bussen;
nach Zürich gehts zu N.N. hin, mit ihm da will sie
russisch Eier essen und’s SVG vergessen.
13 Wie könnt sie nicht nach Wissenschaft und nicht nach Bildung dürsten?
Beflügelt und voll Liebekraft will immerfort sie
Büchmann konsultieren (bald wird sie selbst ihn zieren).
14 Sie legte sich auf’s Kanapee und wollte sich erquicken.
Da beugte ich mich über sie und wollte sie mal –
führen in den Garten, sie konnt‘ es kaum erwarten.
15 Wir saßen dann im Garten fein, auf einem schönen Rasen.
Da wollte sie mir schnell noch mal, am liebsten einen
blauen Anzug scheinen und immer an mich denken.
16 Mit einer Freundin wollte sie mich eines Tages necken.
Ich kam zu ihr und sah sie dann gerade noch beim
Schlagerlieder singen, sie wollt ein Ständchen bringen.
17 Und wenn sie einst gestorben ist, dann wird es mich zerreißen,
ich werde auf ihr kühles Grab ‘nen großen Haufen
Scheideblümlein streuen, das wird Adele freuen.