1 Freude, schöner Götterfunken,
Tochter aus Elisium,
Wir betreten feuertrunken,
Himmlische, dein Heiligthum.
Deine Zauber binden wieder,
Was die Mode streng getheilt,
Alle Menschen werden Brüder,
Wo dein sanfter Flügel weilt.
Seid umschlungen Millionen!
Diesen Kuss der ganzen Welt!
Brüder – überm Sternenzelt
| : muss ein lieber Vater wohnen. : |
2 Wem der große Wurf gelungen,
eines Freundes Freund zu sein,
wer ein holdes Weib errungen,
mische seinen Jubel ein!
Ja, wer auch nur eine Seele
sein nennt auf dem Erdenrund!
Und wer‘s nie gekonnt, der stehle
weinend sich aus diesem Bund!
Was den großen Ring bewohnet,
huldige der Sympathie.
Zu den Sternen leitet sie,
| : wo der Unbekannte thronet. : |
3 Freude trinken alle Wesen
an den Brüsten der Natur;
alle Guten, alle Bösen
folgen ihrer Rosenspur.
Küsse gab sie uns und Reden,
einen Freund, geprüft im Tod;
Wollust ward dem Wurm gegeben,
und der Cherub steht vor Gott
Ihr stürzt nieder, Millionen?
Ahnest du den Schöpfer, Welt?
Such ihn überm Sternenzelt
| : Über Sternen muss er wohnen. : |
4 Freude heißt die starke Feder
in der ewigen Natur;
Freude, Freude treibt die Räder,
in der großen Weltenuhr.
Blumen lockt sie aus den Keimen,
Sonnen aus dem Firmament,
Sphären rollt sie in den Räumen,
die des Sehers Rohr nicht kennt.
Froh wie seine Sonnen fliegen
durch des Himmels prächtigen Plan,
laufet, Brüder, eure Bahn,
| : freudig wie ein Held zum Siegen! : |
5 Aus der Wahrheit Feuerspiegel
lächelt sie den Forscher an;
zu der Tugend steilem Hügel,
leitet sie des Dulders Bahn.
Auf des Glaubens Sonnenberge
sieht man ihre Fahnen wehn,
durch den Riss gesprengter Särge
sie im Chor der Engel stehn.
Duldet mutig, Millionen,
duldet für die bess‘re Welt!
Droben über‘m Sternenzelt
| : wird ein großer Gott belohnen. : |
6 Göttern kann man nicht vergelten;
schön ist’s, ihnen gleich zu sein.
Gram und Armut soll sich melden,
mit dem Frohen sich erfreu’n.
Groll und Rache sei vergessen,
unserm Todfeind sei verzieh’n;
keine Träne soll ihn pressen,
keine Reue nage ihn.
Unser Schuldbuch sei vernichtet,
ausgesöhnt die ganze Welt!
Brüder – überm Sternenzelt
| : richtet Gott, wie wir gerichtet. : |
7 Freude sprudelt in Pokalen;
in der Traube gold’nem Blut
trinken Sanftmut Kannibalen,
die Verzweiflung Heldenmut. –
Brüder, fliegt von euren Sitzen,
wenn der volle Römer kreist;
lasst den Schaum zum Himmel spritzen:
dieses Glas dem guten Geist!
Den der Sterne Wirbel loben,
den des Seraphs Hymne preist,
dieses Glas dem guten Geist
| : über’m Sternenzelt dort oben! : |
8 Festen Mut in schweren Leiden,
Hilfe, wo die Unschuld weint,
Ewigkeit geschwor‘nen Eiden,
Wahrheit gegen Freund und Feind,
Männerstolz vor Königsthronen,
Brüder, gält‘ es Gut und Blut:
dem Verdienste seine Kronen,
Untergang der Lügenbrut!
Schließt den heil‘gen Zirkel dichter!
Schwört bei diesem gold‘nem Wein,
dem Gelübde treu zu sein,
| : schwört es bei dem Sternenrichter! : |